Der Herr ist für jede und jeden von uns auferstanden
Bibellesungen: Jesaja 25,6-9; 1. Korinther 15,12-19; Johannes 14,15-20
Gibt es keine Auferstehung der Toten, so ist auch Christus nicht auferweckt worden. Ist aber Christus nicht auferweckt worden, so ist unsre Predigt vergeblich, so ist auch euer Glaube vergeblich. (1. Kor. 15,13-14)
“…so ist auch euer Glaube vergeblich.” Scharfe und harte Worte, die uns die Kehle zuschnüren.
Und weiter: Hoffen wir allein in diesem Leben auf Christus, so sind wir die elendesten unter allen Menschen. (1. Kor. 15, 19)
“die elendesten…”
Da kommt uns eine Gänsehaut, trotz der Wärme. Paulus hält fest, dass man entweder an die unglaubliche und fast unerreichbare Botschaft der Auferstehung von den Toten glaubt, oder dass man in den Abgrund einer radikalen Skepsis fällt. Es geht nicht, halbe Gläubige zu sein, wir müssen uns entscheiden, wir sind gezwungen, Antwort zu geben.
Und doch müssten wir uns fragen: können wir so viele Brüder und Schwestern mit dem Rücken an die Wand stellen und sagen, dass diejenigen, die nicht an die Auferstehung der Toten glauben, einen vergeblichen Glauben haben? Sind wir bereit, unsere Kirchen zu leeren, wenn es um die Auferstehung der Toten geht? Sind wir sicher, dass in diesem Europa, das sich mit Nachdruck als christlich bezeichnet, aber so oft ohne einen Funken Liebe handelt, der Glaube an die Wiederauferstehung der Toten lebt?
Und was heisst das, konkret, an die Auferstehung der Toten zu glauben?
Paulus schreibt an die Gemeinde in Korinth, eine lebendige und streitbare Gemeinde, ein wenig, so scheint es, wie diese unsere Kirche. Es wäre leicht und auch schön, jetzt sagen zu können, dass wir die Korinther sind, Männer und Frauen der Kirche, im Gemeindeleben aktiv, voller Gaben und Möglichkeiten, vielleicht ein wenig aufgeregt oder konfliktgeladen, aber sicher lebendig.
Wir wissen, dass die Gemeinde in Korinth zum großen Teil aus Glaubenden bestand, die aus dem Heidentum kamen, verschiedenen sozialen und wirtschaftlichen Klassen angehörten, streitbar und auch in verschiedene Parteien gespalten waren. Es waren Männer und Frauen, die ihren Glauben sehr intensiv lebten. Sie glaubten, dass die Teilhabe am Weg sich sofort konkretisieren müßte, im Hier und Jetzt, im Alltag. Alles in allem also eine reiche, lebendige und kraftvolle Gemeinde. Eine Gemeinde, die im Glauben die eigene Lebensgrundlage sah.
Können wir für unsere Gemeinden dasselbe sagen?
Ich fürchte, wir sind nicht wie die Korinther, nicht einmal wir, die wir heute hier versammelt sind, an diesem warmen Augustnachmittag. Und das sind wir vor allem nicht, weil wir mitverantwortlich sind für das, was in der Welt geschieht.
Wir sind mitverantwortlich, weil unser tägliches Leben, unser Wohlergehen und unsere Lebensweise sich von dem Tod ernähren, der uns umgibt. Es ist banal, wenn ich sage, dass wir in Sünde leben, aber ist das wirklich banal? Wie oft haben wir den Mut, diesen Begriff zu verwenden, den viele als altmodisch bezeichnen, wenn nicht während des Sündenbekenntnisses im Gottesdienst? Doch wie schrieb Dietrich Bonhoeffer:
“wenn die Sünde nur durch den Tod Christi am Kreuz besiegt werden konnte, dann muß sie eine sehr ernste Angelegenheit sein, auch wenn wir es nicht wahrnehmen.”
In der Tat merken wir es oft nicht: wie oft denken wir über unsere Verantwortung nach? Ich spreche nicht von Grundsatzerklärungen, sondern von unserem täglichen Leben, von unserem Privatleben, in dem wir Wasser, Nahrung, Komfort haben. Ich möchte nicht moralisch erscheinen, aber ich frage mich, ob wir uns wirklich bewusst sind, dass wir Teil eines Räderwerkes in einer Welt des Todes sind. Eine Welt, in der Kinder verlassen oder missbraucht werden: gezwungen zu arbeiten, Soldaten zu sein, sich zu prostituieren oder Organersatzteillager für die Reichen zu werden. Eine Welt, in der täglich die Misshandlung, wenn nicht sogar die Ermordung von Frauen hingenommen wird, von ganz normalen Frauen, die nicht in Kriegsländern leben, sondern unsere Nachbarn, unsere Freunde, unsere Schwestern, die wir beim Einkaufen oder auf der Post treffen, oder diejenigen, die wir nicht mehr sehen, weil sie zu Hause lebendig begraben sind.
Die Realität sieht so aus, dass auch wir, die Mitglieder einer “engagierten” Kirche, häufig, wie Primo Levi sagen würde, in unseren lausigen Häusernleben und die Toten im Mittelmeer, die Gräueltaten in Libyen, die Grausamkeiten in so vielen Ländern, die in bewaffnete Konflikte verwickelt sind, vergessen, wenn nicht gar vernachlässigen, aber auch unaufmerksam sind gegenüber den tödlichen Arbeitsunfällen, der wachsenden Umweltvergiftung und der Zerstörung der Erde.
Aber wir sind nicht allein, wir werden nicht allein gelassen. Der Herr steht uns mit seinem Geist zur Seite. Er gibt dem leidenden Körper Leben und Würde zurück und gibt unserem Leben einen Sinn, indem er neben uns geht, uns auf der Straße begegnet, mit uns Grenzen überschreitet, mit uns den Schmerz erleidet.
Der Herr ist auch die Kraft unseres Engagements, derjenige, der unsere Schwäche unterstützt, wenn uns unsere winzigen Zahlen und die Größe des Bösen zerbrechlich erscheinen lassen.
Denn es ist wahr, dass viele von uns das Leid, das uns umgibt, nicht vergessen und vergessen haben. Es ist wahr, dass viele von uns die Gegenwart Gottes in der Welt durch Kirchen und Gemeinden bezeugen, die die Umwelt und ihr Gleichgewicht bewahren und ein bescheidenes Leben führen, die versuchen, die Knappheit der natürlichen Ressourcen im Auge zu haben und das Leben, das uns umgibt, zu respektieren. Es stimmt, dass das Zeugnis als Kirche, aber auch oft als einzelne durch Projekte wie Mediterranean Hope oder humanitäre Korridore abgelegt wird, und auch durch vielen Kampagnen zur Wahrung der Rechte dieser Menschen, dieser Völker, jener Gebiete, die schwach, zerbrechlich, misshandelt und missbraucht sind, an vorderster Front stehen. Es stimmt, dass wir oft mutige Entscheidungen gegen den Strom getroffen haben, ebenso wie es wahr ist, dass wir in vielen unserer Kirchen die Möglichkeit haben, den Segen von ECI (Zusammen Kirche Sein) zu leben, den Segen, mit Männern und Frauen Kirche zu sein, die eine andere Geschichte und Kultur als die italienische haben, die aber unsere Gemeinden durch die Gabe ihrer Besonderheiten, ihres menschlichen und geistigen Reichtums bereichern konnten. Es ist also wahr, dass wir versuchen, ernsthaft versuchen, eine neue Existenz zu leben, eine Existenz, in der klar ist, dass es Gott ist, der uns das Leben geschenkt hat. Eine Existenz, in der die Anwesenheit des Heiligen Geistes greifbar ist, mit dem Reichtum seiner Gaben und seiner Stärke.
Aber Paulus selbst, etwas später, in Vers 32, warnt uns vor dem einfachen Gefühl der Zufriedenheit, das wir in uns spüren können:
Hätte ich in menschlicher Weise in Ephesus mit wilden Tieren gekämpft, was hätte es mir geholfen? Wenn die Toten nicht auferstehen, dann «lasst uns essen und trinken; denn morgen sind wir tot!»
Wir haben uns gerade ein wenig getröstet, und nun versetzt uns Paulus wieder in Unruhe. Es nützt nichts, was wir tun. Ja, wir haben unseren Beitrag geleistet, wir haben die Existenz von Menschen etwas verbessert, jetzt fühlen wir uns auch besser und wohler, aber wir müssen uns bewusst sein, dass es völlig sinnlos war, wenn wir es nur aus menschlichen Gründen getan haben. Paulus sagt uns genau das: genießen wir das Leben, denn wenn die Toten nicht auferstehen, ist es völlig überflüssig, gegen die wilden Tiere zu kämpfen. Wir könnten genauso gut essen und trinken, denn morgen sterben wir.
Was will Paulus damit sagen?
Das bedeutet, dass weder unsere Begeisterung noch unsere Fähigkeit, unsere Kirchen zu füllen, noch unser humanitärer Einsatz etwas bewirken. All das ist wichtig, ich möchte sogar sagen, dass es von grundlegender Bedeutung ist, aber es kommt aus dem Heiligen Geist und ernährt sich von einem Glauben, der im Tod und in der Auferstehung Jesu verwurzelt ist. Paulus sagt, dass wir einen Verein, ein Team, eine Gruppe gründen können, die sich mit dem Schutz der Menschen und der Schöpfung beschäftigt, aber wenn wir nicht an die Wiederauferstehung der Toten glauben, dann sind wir keine Kirche, denn das Herz, die Grundlage unseres Glaubens ist, dass Christus von den Toten auferstanden ist. Wenn wir daran nicht glauben, dann ist unser Glaube vergeblich und kann den Stürmen, in denen wir leben, nicht widerstehen: eine unbequeme, mühsame Botschaft, die schwer zu akzeptieren ist, aber die einzig notwendige Botschaft, sagt Paulus.
Was können wir also tun, was müssen wir tun? Wir können die Kranken und Trauernden weiter unterstützen und damit wunderschöne Taten vollbringen. Mit unserem Tod jedoch wäre alles vorbei. Und unser Preis wäre die Dankbarkeit derer, die wir unterstützen, die Zustimmung unserer Freunde, und schließlich eine schöne Beerdigung und ein Grabstein, der unsere Erinnerung an die Nachwelt weiterträgt.
Das ist eine Möglichkeit, aber das Evangelium von heute erinnert uns daran, dass all dies zu unserem alten Leben gehört und uns verkündet, dass der Herr den Tod für immer auslöschen wird und dass wir nicht allein sein werden, dass wir, wenn wir fallen, gerettet werden. Der Geist der Wahrheit wird uns helfen, an das zu glauben, was Paulus selbst als Torheit bezeichnet hat, denn es ist etwas Unglaubliches, etwas, das für unsere pragmatische Denkweise nicht akzeptabel ist. In der Tat, wenn wir darüber nachdenken, ist die ganze Sache wirklich verrückt. Wie können wir glauben, dass es eine andere Liebe gibt als unsere? Eine totale Liebe, wie die, die Jesus uns gezeigt hat? Wird nicht zu viel verlangt? Ist diese Menschlichkeit Jesu nicht tief im Inneren zu wenig menschlich für uns?
Hier ist der Punkt: Wir wollen, wie die Korinther, einen Glauben in unserer Reichweite, einen menschlichen Glauben. Wir möchten uns hier wieder auferstanden fühlen, innerhalb der Grenzen, die wir kennen, innerhalb der Realität, die wir lieben. Wir wollen einen Gott, der, nachdem er sich für uns alle zum Menschen gemacht hat, wieder Gott sein kann, ohne uns mit hineinzuziehen. Wir wollen einen Gott, der uns nicht bittet, unsere Grenzen zu überschreiten, einen Gott, der uns nicht destabilisiert.
Aber Paulus nagelt sie (die Korinther) und uns fest: Wenn Christus ein Mensch war, ganz Mensch, dann ist seine Auferstehung keine Geschichte, kein Symbol, kein mythisches Ereignis aus der Zeit der Götter, sondern eine Frage, die uns direkt betrifft, die uns als Männer und Frauen betrifft. Für Paulus ist es nicht genug, an die Auferstehung zu glauben, es ist nötig, für die eigene Auferstehung empfänglich zu werden: die Auferstehung Christi war nicht nur ein übernatürliches Wunder, außerhalb von uns, ein einzigartiges und unwiederholbares Ereignis, sondern sie ist das Ereignis, das sich in uns Bahn bricht, das unsere ganze materielle und geistliche Existenz zeichnet, auf unseren Arbeitsplätzen und in unseren Häusern, in den Beziehungen mit der Welt und mit unseren Freunden, im Leben und im Tod, denn Jesus ist der Erstgeborene der Auferstandenen, “der Erstling unter denen, die entschlafen sind. ” (vgl. V. 20) Seine Auferstehung ist das Ereignis, von dem aus unser Leben in der Sünde endet und uns die einmalige Chance gegeben wird, wiedergeboren zu werden und neue Männer und Frauen zu sein. Ohne Verdienst, ohne aktive Rolle.
Wenn wir also daran glauben, müssen wir diese Realität, die alles verändert, aus unseren Glaubensgepflogenheiten herausholen und ihr wieder Sinn geben und sie konkret werden lassen. Denn wenn es bei einer bestätigten und nicht gelebten Grundsatzerklärung bleibt, auf der wir nicht unsere Fundamente gelegt haben, dann ist unser Glaube vergeblich, das heißt, er ist tot und somit nutzlos.
Der Herr fordert uns auf, unsere irdische Existenz auf die Auferstehung der Toten zu gründen, auf dieses unglaubliche Ereignis, das sich hart am Limit befindet, ja sogar über die Grenzen der Annehmbarkeit hinausgeht für die Weise Menschheit, voller Vernunft, mit den Füßen auf dem Boden, für die Menschheit, der wir oft zu Recht angehören. Er bittet uns, uns mit Freuden auf Ihn zu verlassen, den einzigen, der uns von der Sünde befreien kann, die uns umgibt und verführt, von dieser Kraft, die uns daran hindert, an die Auferstehung und damit an das Leben zu glauben, obwohl sie hier in unserer Mitte, in unserer Welt und in unserem täglichen Leben ist. Denn, und das ist die frohe Ankündigung von heute Nachmittag, wir sind nicht nur vom Tod umgeben, sondern auch vom Leben, von der Liebe, die trotz allem weitergeht.
Die Auferstehung Jesu und der Toten ist weder bewiesen noch beweisbar. Wir können Sie nur aus Glauben annehmen, aber Paulus sagt uns, dass sie das Herz unseres Glaubens ist. Sie verleiht ihm Sinn und Bedeutung. Sie ermutigt uns, Vertrauen zu haben und fest zu sein, ja sogar unerschütterlich:
Darum, meine lieben Brüder und Schwestern, seid fest und unerschütterlich und nehmt immer zu in dem Werk des Herrn, denn ihr wisst, dass eure Arbeit nicht vergeblich ist in dem Herrn.
Amen!