Da unser Herr und Meister Jesus Christus spricht “Tut Buße” hat er gewollt, dass das ganze Leben des Gläubigen Buße sein soll.
Das ist die erste der berühmten 95 Thesen Luthers. Im wahrsten Sinne das erste Wort der Reformation- Diese These wird weniger zitiert als andere, der Grund dafür ist das wenig sympathische Wort “Buße”. Buße erinnert an Fasten, Asketen, geißeln. Dinge die wir gerne mit Johannes dem Täufer in Verbindung bringen aber weniger mit Jesus. Aber auf gar keinen Fall mit Luther. Im Gegenteil wir denken, dass die Reformation uns befreit hat von allen Bußen und von allen Beichtvätern befreit hat.
In der Tat sollte es nicht zensiert werden, nur weil es unserem säkularisierten Protestantismus schwer fällt damit umzugehen, dass die Reformation am ersten Punkt mit der Buße beginnt.
“Tut Buße” wie von Luther benutzt (er zitiert den griechischen Urtext in Matthäus) spricht nicht in erster Linie vom Fasten oder dem Wachen sondern sollte übersetzt werden mit “Kehret um, Bekehrt Euch”. Wir könnten also die erste These, im Licht dieser Erkenntnis neu formulieren: unser Herr und Meister Jesus Christus wollte, dass das gesamte Leben der Christen, das Dasein der Kirche eine Umkehr /Bekehrung sein solle, ein radikaler Wechsel, eine Kehrtwendung, eine neue Orientierung des Lebens.
Natürlich ändert man nicht einfach etwas, es braucht einen Grund dafür. Zum Beispiel eine Gefahr die uns zwing die Richtung zu ändern, um uns in Sicherheit zu bringen. Sehr häufig in der Bibel und auch bei Luther, die Aufforderung zur Umkehr diese Bedeutung. Aber nicht in unserem Fallt! Jesus lädt ein die Straße zu wechseln, weil es eine Neuigkeit gibt, eine gute Neuigkeit, der man sofort folgen soll. Bereits in diesen ersten Versen von Markus versteht man, dass diese Neuigkeit etwas zu tun hat mit der Person von Jesus selbst. In ihm selbst manifestiert sich die Neuheit. Um was es sich handelt? Markus und die anderen Evangelien erzählen dies mit einer Reihe von Erzählungen: verzweifelte Personen erhalten Hoffnung; Frauen und Männer die unter schlimmer Schuld leiden, beginnen wieder mit den anderen Kontakt aufzunehmen; Kranke werden geheilt auch wenn es Samstag ist; Hungernde teilen das wenige was sie haben mit den anderen und erleben eine unerwartete Fülle. Geistesgestörte, buchstäblich außer sich, wird das Leben zurückgegeben und sie werden eingegliedert in die Gesellschaft.
Das ist die Wirklichkeit zu der Jesus zur Umkehr aufruft. Aber um davon zu sprechen benutzt er auch kurze Erzählungen, unsichtbare Samenkörnern die ungestüm wachsen; Lichter die verborgen sind, Bäume die, seltsamerweise, Frucht bringen. Auch außerhalb der richtigen Jahreszeit. Kehrt um, sagt Jesus, und geht dem entgegen was sich nähert und was er mit “Reich Gottes” bezeichnet. Das Leben Jesu, seine Person, seine alles was er macht ist ein Zeichen für diese Befreiung. Markus weiß das. Weiß auch, dass diese gute Nachricht, diese frohe Botschaft, etwas besonderes ist für viele aber auch gefahrvoll destabilisierend für andere und damit der Grund für den Tod von Jesus. Markus weiß auch von den ängstlichen Frauen , am Morgen des ersten Tages nach dem traurigsten Samstag ihres Lebens, die vor dem leeren Grab noch nicht wirklich wagten zu verstehen, nämlich dass Gott selbst JA gesagt hat zu Jesus, einmal für immer. Das nämlich die Botschaft von Jesus in Wirklichkeit die Botschaft Gottes ist: die Wahrheit. Genauso hat es Markus verstanden und darum als Titel für seine Erzählung das Wort Evangelium benutzt. Aber in diesen ersten Versen schreibt er nicht “Evangelium Gottes” sondern “Evangelium Jesu Christo. Jesus Christus selbst, seine Geschichte und seine Person sind der Inhalt der Botschaft. In der Geschichte Jesu Christo begegnen wir dem Evangelium des Reiches, der Wirklichkeit Gottes selbst.
Die Reformation hat die Wirklichkeit Gottes bezeugt, indem sie die Geschichte Jesu erzählt hat. Oft hat sie das unglaublich synthetisch getan, indem sie die ganze Geschichte in ein einziges Wort gezwängt /konzentriert hat: in Worte wie Kreuz, Gerechtigkeit, Gnade, Glauben, oder auch mit dem Begriff “Wort”. In jedem dieser Begriffe ist die gesamte Angelegenheit des Mannes aus Nazareth enthalten, unter verschiedenen Gesichtspunkten. Und jeder dieser Begriffe hat direkt zu tun mit dem Leben, dem Glauben und mit der weltlichen Existenz der Männer und Frauen.
Das Evangelium ist nicht nur ein neues Bildnis Gottes, es ist eine neue Art und Weise an ihn zu denken. Die Kranken werden nicht geheilt von einem Gedanken an Gott, die Brote werden nicht vermehrt durch eine neue Theologie, wenn auch brillant! Das Gebet ist keine Reflektion über ein Konzept, sondern eine Bitte an ein “du”. Für Jesus, für Markus, für die Reformation, ist Gott eine Wirklichkeit und darum kann sie auch begriffen werden. Er ist ein du an den wir uns wenden und der handelt.
Das Evangelium ist nicht nur ein neues Bildnis des Menschen, das besser zu verstehen ist als vorher. Wenn ich untergehe, kann ich mich nicht retten indem ich an mich denke kann ich mich, wenn ich hungrig bin kann ich mich nicht sättigen, indem ich denke das essen nicht alles ist was ich zum Leben brauche.
Das Evangelium ist, das Gott den Menschen ergreift, so wie die Küstenwache, die Schiffbrüchige retten. Für Markus, für Jesus und für die Reformation ist Rettung nicht nur ein Art und Weise sich auszudrücken, sondern die Tatsache dass du aufgeschmissen warst und es nicht mehr bist, weil Gott genauso ist wie Jesus, einfach nur gut. Daher sagt Luther, wenn auch auf lateinisch: tut Buße, kehrt um. Nicht zu einer neuen Ansicht, auch wenn sie richtig ist, nein, kehret um zu Gott. Der ist wirklicher als die Wirklichkeit an der du dich stößt. Manch einer dachte das Gott Wirklichkeit werden könnte allein durch die Kirche und ihren Eingriff. Nein! Er ist Wirklichkeit alleine für sich. Wirklicher als der Papst und die Prinzen (Luther hätte das sicherlich besser ausdrücken können ….. ) ist wirklicher als der Tod der im V Jhd. überall war, sich aber auch heute noch oft sehen lässt. Ist wirklicher als der Teufel der für Luther sehr greifbar und real war.
In diesem Jahr haben wir in großer Vielfallt gehört und auch selbst oft wiederholt: die Reformation hat Europa verändert: die Wissenschaft, die Politik, die Rechtsprechung, die Kunst, die Musik und vieles andere auch. Und hat uns vielfältige Ansätze für neue überlegungen geliefert. Alles richtig! Aber vom Gesichtspunkt Luthers oder Calvins, ist dies alles zweitrangig. Die Reformation folgt dem selben Gedanken wie Markus und wollte nur eines genau sagen: das im Evangelium von Jesu Christus die Wirklichkeit Gottes, Gott selbst, uns nahe kommt, dass du mit ihm reden kannst, in seiner Gegenwart leben kannst und in seiner Gegenwart auch versuchen kannst zu sterben, eben als Christ.
Die Kirche der Reformation hat nichts anderes zu sagen: erzählt die konkrete Wirklichkeit Gottes in der Geschichte und in der Geschichte von Jesus, auf viele Art und Weise, mit vielen Bildern; erzählt auch andere Geschichten, die diese Geschichte angeregt hat, viele Gleichnisse , die erzählen das Jesus gut ist und Gott ist wie er.
Aber, so heißt es, die säkularisierte und pluralistische Gesellschaft versteht diese Sprache nicht mehr, die von Gott und Rettung spricht. Das ist unser Alibi. So verleugnen wir die Reformation und auch Christus. Es ist nicht die Gesellschaft die nichts versteht, wir sind es die nicht daran glauben! Wir sind es die es lieben von Gott als einer Metapher zu sprechen, einer Suggestion, einer Motivation oder einem Bild, auf viele Art und Weise aber nicht als Wirklichkeit: der Wirklichkeit. Schlechthin.
Kehren wir um!
Denn eine Kirche, die eine solche sein will, erzählt die Geschichte Jesus so realistisch wie die reale Wirklichkeit! Eine Wirklichkeit die das Leben verändert. Erzählt sie ohne Eroberungszwang sondern mit einer Leidenschaft wie diejenigen, die in diesen Geschichten leben und atmen. Erzählen, immer mit neuen Worten und Begriffen, aber mit großer Achtung vor den antiken Worten mit denen Schwestern und Brüder, in der Vergangenheit die Wirklichkeit Gottes bezeugt haben.
Diese Geschichte mit allen Instrumenten die das menschliche Gehirn uns zur Verfügung stellt erzählen und meditieren, das ist die Aufgabe zu der ihr fünf hier berufen werdet und dies ist die Aufgabe von uns alles, die wir ins Amt der Verkündigung berufen sind.
Dies hat einen Sinn allein in der Leidenschaft einer Kirche die im Gebe erkennt, das unser Anfang und unsere Hilfe in der Wirklichkeit Gottes besteht, in Jesus Christus und dass diese Wirklichkeit die Geschichte verändert. Davon ist die Reformation ausgegangen und höchstwahrscheinlich wollte sie hier “stehen bleiben”. Aber da Gott Wirklichkeit ist hat er auch etwas verändert.
Kehret um! Kehren wir um!
Jedes Mal wenn eine niederträchtige Stimme das alles als Ammenmärchen bezeichnet, dass das Wort nur Worte sind und Gott nur ein Gedanke, dass du ihn anrufen kannst sowie du willst, er dir aber nie antworten wird, jedes Mal wenn diese Stimme uns eingibt das die Wirklichkeit Gottes abstrakt sei, während konkret nur das ist was wir tun. Jedes Mal wenn wir diese Stimme hören, müssen wir umkehren, Marschrichtung ändern. In Jesu ist Gott real und uns nahe. Dies allein weiß die Kirche, die Gemeinde der Gläubigen, sie weiß es und kann es bezeugen alleine wenn sie es lebt, und nur wenn sie es lebt kann sie es mit Kraft bezeugen. Darum existiert die Kirche, und darum sind wir hier.
Amen.